Wer sind hier die Irren? Ärzte oder Patienten? Diese Frage zog sich wie ein roter Faden durch die drei Abende, an denen die Theater-AG das MEG in die Nervenheilanstalt am Rodderweg verwandelte. „Alice im Anderland“ hieß das Stück, das in der bis auf den letzten Platz besetzten Aula die begeisterten Zuschauer zum Staunen und vor allen Dingen zum Lachen brachte. In wahnsinnigen Kostümen und verrückten Dialogen wurde die Geschichte von Patientin 263, vor ihrer Einweisung Alice genannt, erzählt. Alice, einzige Überlebende eines von ihrem damaligen Kinderzimmer ausgehenden Hausbrandes, bei dem ihre Eltern getötet wurden, lebt in ihrer eigenen, von phantastischen Katzen, Kaninchen und einer kölschen Köchin bevölkerten Welt. Oder sind ihre Begleiter doch echte Patienten der Klinik? Jedenfalls leiden sie gemeinsam unter den Zuständen in der Heilanstalt. Unter dem alten Doktor, durch und durch Schulmediziner, der für jeden psychischen Zustand die entsprechende chemische Keule parat hat. Unter seinem jungen Kollegen, der alternative Heilmethoden ausprobieren und den Weg der Gruppengesprächstherapie gehen will. Wer sind hier die Irren? Die Ärzte? Die Patienten? Und so mancher Zuschauer fragt sich vielleicht, ob das Stück nicht sogar eine kleine, lustige Metapher für das echte MEG sein mag. MEG könnte ja schließlich stehen für „massiv eingeschränkte Geisteskranke“.

 

Nein, das wäre sicher überinterpretiert. Nicht nur, weil in der Klinik, anders als am Gymnasium, auch nachts gelitten wird. Dann herrscht die Herzkönigin mit ihren brutalen, schlagstockbewaffneten Bodyguards. Alice und ihre Verbündeten fordern ihr Schreckensregiment heraus und schmieden Pläne, wie sie ihrer Herrschaft ein Ende bereiten können. Das ängstliche Kaninchen wird vorgeschickt und – der Plan funktioniert. Oder doch nicht?

Einen solch schrägen Plot in ein Stück umzusetzen, das erfordert Einiges an Kreativität! Und dazu Textsicherheit, Improvisationsfreude und viel Gefühl für die Pointe. Bemerkenswert waren nicht nur die detailverliebten Kostüme und das tolle Makeup. Es wurde auch einiges an schauspielerischem Talent geboten. Nicht nur die mit Franziska Brinkmeyer und Stella Willmann doppelt besetzte Hauptrolle der Alice, auch so manche Nebendarsteller glänzten geradezu in ihren Rollen. Das zuckende Kaninchen, der posttraumatische Soldat, die abgefahrene Patientin mit Fliegerbrille, das fauchende Monster an der Leine, ja sogar die Sprechstundenhilfen, deren Haupteigenschaft das Gelangweilt-Dreinblicken war: Es war ganz großes Kino, was die Theater AG unter der Leitung von Yvonne Kreckel und Thilo Hennicken den Zuschauern bot.

Vielen Lehrern und Eltern drängte sich nach der Aufführung die Frage auf: „Wie haben die das nur gemacht? Das war doch mehr als nur Laien-Schauspielerei!“ Laura Nanu (Q1) hat eine mögliche Antwort: „Vor der Aufführung bin ich zwar nervös, aber wenn es losgeht, auf der Bühne, dann geht es, dann vergesse ich alles und bin voll in meiner Rolle. Außerdem lernen wir in der Theater-AG wirklich, aus uns herauszukommen. Das steigert das Selbstbewusstsein, und das hilft dir nicht nur während der Aufführung, sondern auch sonst im Leben.“ Ruben Esser (Q1) bestätigt: „Man muss in seiner Rolle drinstecken. Schließlich passiert immer etwas, das man nicht erwartet. Dann muss man passend improvisieren können. Das Beste ist aber das euphorische Gefühl am Ende, wenn man richtig Applaus bekommt.“ Davon gab es nach der Vorstellung reichlich. Man hatte fast das Gefühl, das wie wild klatschende Publikum sei ein wenig irre geworden.